Ambet Yuson im Gespräch mit Marta Pujadas, UOCRA-Argentinien.
Im Gespräch mit Ambet thematisierte Marta die kürzlich erfolgte Ratifizierung des ILO-Übereinkommens Nr. 190 über Gewalt und Belästigung an der Arbeitsstätte und die Frage, warum Gewerkschaften auf weitere Ratifizierungen nach dem Beispiel Argentiniens drängen müssen, um Räume zurückzufordern und damit der Gewalt gegenüber Frauen entgegenzutreten.
Dies ist die zweite Episode von „Die BHI im Gespräch“, einem informativen Vlog mit Ambet als Gastgeber. Über kurze Videos will die BHI eine Online-Plattform bieten, damit Gewerkschafter ihre Gedanken und Erfahrungen zu verschiedenen Themen und Anliegen zum Ausdruck bringen können, die Arbeitnehmer betreffen.
Vollständiges Transkript:
Conversaciones ICM - BWI Conversations
Ambet Yuson im Gespräch mit Marta Pujadas, UOCRA-Argentinien
Heute ist ein ganz besonderer Tag: der Weltfrauentag Ich freue mich, dass ich heute mit einer sehr kämpferischen Gewerkschafterin sprechen darf. Marta Pujadas von der UOCRA, der Baugewerkschaft in Argentinien. Heute sprechen wir über das ILO-Übereinkommen Nr. 190 über Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt.
Herzlich Willkommen, Marta. Und Gratulation! Argentinien ist das dritte Land, das ILO C190 ratifiziert hat. Könntest Du erzählen, welchen Anteil deine Gewerkschaft an diesem Erfolg hat?
Hallo lieber Ambet, Generalsekretär der BHI, hallo liebe Kolleginnen und Kollegen in der BHI. Zunächst darf ich sagen, dass ich mich geehrt fühle, heute am 8. März über unsere Forderungen und unseren Einsatz zu sprechen. Doch es ist auch eine große Verantwortung, nicht nur als Vertreterin unserer Region, sondern für alle diejenigen von uns, die auf globaler Ebene arbeiten. Wir sind tatsächlich sehr stolz darauf, dass Argentinien als drittes Land dieses Übereinkommen ratifiziert hat.
Wenn man aber einmal zurückschaut, so haben wir einen langen Weg zurückgelegt, zusammen mit dem gesamtamerikanischen Gewerkschaftsbund (TUCA), dem Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB), unserer BHI und allen GUF, in denen wir dieses Thema verankert haben, um weltweite Kampagnen zu entwickeln. Dieses Thema wurde von ihnen eher innerhalb der ILO gesehen. Aber mit der Konferenz zur Hundertjahrfeier der ILO konnten wir dann ein Übereinkommen und eine Empfehlung annehmen, die Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt thematisieren. Das war eine Schuld, die über uns allen hing. Als wir von der ILO-Konferenz zurück waren, haben wir zuallererst das Übereinkommen und unsere Empfehlung genommen und das auf den nationalen Verhandlungstisch gelegt, bei der damaligen Regierung. Wir haben darum gebeten, als allgemeiner Arbeitnehmerverband, dass Argentinien das Ratifizierungsverfahren schnell beginnt, weil es ein wichtiges Signal an die Öffentlichkeit ist.
Das hieß Antizipieren und den ersten Schritt gehen, den wir bei anderen ILO-Übereinkommen gegangen sind. Es war das politische Signal eines Landes, in dem es in der Arbeitswelt keine Gewalt und Belästigung mehr geben soll. Im Verfahren der Legislative wurde das Übereinkommen dann von der Mehrheit der Abgeordneten und Senatoren ratifiziert.
Es ist noch wichtig zu erwähnen, dass wir ein Team namens UOCRA-WOMEN haben, das direkt unter dem Generalsekretariat angesiedelt ist. Wir haben dann mit der Arbeit angefangen, vorher mit Kampagnen auf der globalen Ebene und nach Annahme des Übereinkommens mit den Vereinten Nationen, der ILO und Spotlight-Kampagnen. Wir haben uns insbesondere auf eine sehr wichtige Kampagne konzentriert: „Not One Less“ über unsere eigenen Kampagne „Nicht wegschauen“. Das bedeutet, dass niemand sich von dem Problem der häuslichen Gewalt abwenden kann. Gewalt ist ein gesellschaftliches Problem, sie hat ihre Wurzeln in der Gesellschaft und muss untersagt werden. Wir haben dann also breit gestreut, da wir in einer volkommen digitalisierten Welt leben. Wir haben in Netzwerken gearbeitet, zusammen mit der Jugend. Wir haben auch Hand in Hand mit unseren Gewerkschaftskolleginnen der anderen BHI-Gewerkschaften gearbeitet, denn in unserer Branche ist es so wichtig, diese Botschaft zu kommunizieren, dafür zu sensibilisieren und Gewalt und Belästigung an der Arbeitsstätte zu verhindern. Ohne Zweifel geht dieser Erfolg auf alle Gewerkschafterinnen zurück, die sich mit Kampagnen erfolgreich für dieses Ziel eingesetzt haben.
Marta, kannst Du mir erzählen, was das ILO-Übereinkommen Nr. 190 für die Arbeitnehmerinnen bedeutet? Wie wird dieses Instrument die Arbeitnehmerinnen an der Arbeitsstätte schützen?
Das Übereinkommen beinhaltet auch die häusliche Gewalt und beschreibt, dass sie die Arbeitnehmerinnen direkt an der Arbeitsstätte betrifft. Wie ist dieses Konzept aufgenommen worden, das die Arbeitswelt und das Private miteinander verknüpft?
Sehr spannende Frage, Ambet. Das Übereinkommen Nr. 190 setzt, wie alle ILO-Übereinkommen,einen gemeinsamen und klaren Rahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt. Daher sind wir der Überzeugung, dass es nicht nur wichtig ist, dass Länder das Übereinkommen ratifizieren, sondern sie müssen auch dessen wirksame Anwendung gewährleisten.
Das Thema, das im Mittelpunkt dieses Übereinkommens steht, stellt auch die Ungleichheit der Geschlechter dar und zeigt die Situation der Frauen. Das war immer der Slogan unserer Kampagne, denn dieses Instrument bietet Arbeitnehmerinnen wirklich Schutz. Unabhängig davon, welche Art Vertrag oder Beschäftigung sie haben, unabhängig davon, ob sie ein Praktikum machen oder eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben. Außerdem wird die Informationstechnologie berücksichtigt. Doch der entscheidende Punkt ist die Feststellung, dass Gewalt oder Belästigung in der Arbeitswel nicht nur Auswirkungen auf die Psyche und den Körper haben, sondern auch wirtschaftlichen Schaden verursachen, und dass aus Belästigung und verbaler Gewalt Schäden entstehen können.
Es gibt eine Beschreibung, die es ermöglicht, dass auf jeder nationalen Ebene ein Standard eingeführt wird, der diese Fälle vermeiden hilft. Aufdeckung, Vermeidung und Bestrafung. Das ist wirklich wichtig. Das Übereinkommen berücksichtigt zudem die Auswirkungen von häuslicher Gewalt in der Arbeitswelt.
Als Gewerkschafterinnen haben wir für diesen Punkt sehr stark sensibilisiert, wie ich bereits sagte, und zwar mit den Kampagnen „Not One Less“ und „Nicht wegschauen“ und wir haben es geschafft! Das ist das Wichtige bei der Verknüpfung des Privaten mit dem Beruflichen, mit der Arbeitswelt. Die Gewalt ist immer da Gewalt ist ein gesellschaftliches Problem, das bekämpft werden muss, und der Rahmen des Übereinkommens Nr. 190 definiert, wie die wichtige Diskussion war die große Definition, der große Rahmen, der besagt, dass es keine Gewalt und Belästigung an der Arbeitsstätte mehr geben darf,und zudem die nationalen Verfahren, die an dieses Übereinkommen angepasst werden müssen. Die Corona-Pandemie hat die steigende Anzahl an Fällen von Gewalt gegen Frauen zuhause und bei der Arbeit aufgedeckt und jetzt hat die Regierung die Gelegenheit, zu handeln.
Welches sind die wichtigen gesetzlichen Bestimmungen, die von der Regierung vorgeschlagen werden, um C190 wirklich umzusetzen?
In Argentinien gibt es einige Gesetze zur Beendigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, etwa das Gesetz Nr. 26485, doch in Wahrheit, und wir müssen hier den Tatsachen ins Gesicht sehen, gibt es noch viele Bereiche, die abzudecken sind. Gewalt und Belästigung sind in der Arbeitswelt präsent und jetzt müssen sie sichtbar gemacht werden, die Situation muss angegangen werden, damit man eine Wiederholung verhindert. Darum ist die Ratifizierung von C190 so wichtig.
Die Situation ist die: Die Pandemie verlangt vor allem Frauen sehr viel ab, sowohl denjenigen, die arbeiten gehen mussten, zusätzlich zur Gefahr der Pandemie, als auch denjenigen, die zuhause geblieben sind und von dort aus im Homeoffice arbeiten konnten, denn dazu kam noch die Fürsorge für die Familie. Zudem, und das müssen wir auch ganz deutlich sagen, waren sie während der Pandemie isoliert. Daher müssen wir einen Weg finden, wie Unterstützung kommuniziert wird und wie wir gewährleisten, dass Netzwerke unterstützen.
Mit Blick auf die Arbeitswelt können wir also nicht unberücksichtigt lassen, dass menschenwürdige Arbeit, formale Beschäftigung und die wirtschaftliche Befähigung von Frauen zur stärkeren Eigenverantwortung zentrale Säulen für den Schutz gegen Gewalt und Belästigung sowie ein Ausweg aus der Situation sind.
Aus diesem Grund ist die Landespolitik zur Vermeidung und Eindämmung so enorm wichtig. Die staatliche Politik und die Umsetzung des Übereinkommens in die Realität als Antwort an die Gesellschaft auf diese Forderung. Denn wir benötigen effiziente Antworten für die Opfer von Gewalt und Belästigung. Wir müssen ihre Lage als Opfer verstehen. Deswegen ist es notwendig, das Übereinkommen auch umzusetzen.Bei dieser Aufgabe werden die Gewerkschafterinnen in Argentinien und die Frauen in der Region wachsam bleiben und über unsere Gewerkschaften und Gewerkschaftsverbände die staatlichen Stellen auffordern, auf die Gegebenheiten zu reagieren.
Welches wird das nächste Thema für die Gewerkschafterinnen in Argentinien sein, mit dem sie sich an vorderster Front auseinander setzen?
Nun, unser Land Argentinien ist da speziell, aber wir sind an vielen Fronten unterwegs. Aber mit Blick auf dieses Thema: Wir sind in ständiger Alarmbereitschaft, was als nächstes kommt. Es wird seit der Pandemie anders über die Zukunft der Arbeit diskutiert, etwa hinsichtlich des technologischen Wandels, der Heimarbeit oder der Systemrelevanz.
Wir wollen staatliche Politik, die sich auf C190 stützt, aber wir müssen auch gegen die wirtschaftliche. Ungleichheit und das Lohngefälle vorgehen, und die Arbeitslosigkeit unter jungen Frauen angehen. Es muss vor dem Hintergrund der Pandemie in Argentinien und der wirtschaftlichen Lage eine koordinierte Beschäftigungspolitik stattfinden.
Wir benötigen eine Politik, die auf die Lage der jungen Frauen reagiert, und ihnen die Möglichkeit gibt, in die Arbeitswelt einzutreten.Daher müssen das heute bestehende Lohngefälle verkleinert und die Diskriminierung bekämpft werden. Jetzt möchte ich einen Punkt herausstellen, nämlich dass Frauen bei unserem Kampf nicht aufgeben können, dem Kampf, mehr Führungspositionen zu besetzen.
Wir müssen, wie du es immer gesagt hast, Ambet, da bist du ein wahrer Lehrmeister, nicht nur als GS, sondern generell, wir müssen uns selbst weiterbilden, an Schulungen teilnehmen, um Führungspositionen mit Entschlossenheit zu übernehmen und mitdiskutieren zu können, denn zusätzlich zu allem müssen wir auf einem fairen Weg in den Übergang gehen, mit der Schaffung von guter Beschäftigung. Mit anderen Worten, wir müssen die neue Modernität mit Gleichberechtigung, Fortschritt und sozialer Gerechtigkeit erobern. Daher stimmt es, wir haben mehrere Erfolge erzielt, und sie müssen ebenfalls Anerkennung finden. Wir müssen dem Kampf aller Frauen Genüge tun, die bis hierhin gekämpft haben, die uns vorangegangen sind, die mit so vielen Schwierigkeiten konfrontiert waren, doch wir müssen auch den Weg bereiten für diejenigen, die nach uns kommen werden.
Aus unserer Sicht besteht also ein Defizit bei der guten, menschenwürdigen Arbeit, es gibt ein Gefälle wegen der Ungleichheiten, wir wollten in Entscheidungen, Einflussnahme und Machträumen stärker eingebunden sein. Es ist wichtig, die Frauen und ihre Rechte zu stärken. Wir wollen dieses Problem ansprechen, dass die unbezahlte Arbeit zwischen Männern und Frauen bei der Fürsorge für die Familie ungleich verteilt ist. Unsere große Herausforderung besteht darin, dort Einfluss zu nehmen, wo die Entscheidungen getroffen werden, damit Gleichstellungspolitik für Frauen gewährleistet ist. Damit meine ich gut bezahlte, produktive Arbeit, die im Rahmen von Freiheit, Gleichheit, Sicherheit und Menschenwürde geleistet wird. Vielen Dank, Marta. Ich bin mir sicher, dass die Arbeitnehmerinnen in der Baubranche in Argentinien einen großen Beitrag zur Kampf der Arbeitnehmerinnen in Argentinien und der Welt leisten werden.
Danke, Marta
Heute ist Weltfrauentag und die BHI setzt sich für eine gerechte und bessere Zukunft für alle ein. Welche Botschaft möchtest Du den Arbeitnehmerinnen weltweit kommunizieren?
Was für eine Verantwortung! Aber um über eine gerechte und bessere Zukunft für alle sprechen zu können, müssen wir zuerst sagen, dass die aktuelle Situation der Frauen nicht nur in der Arbeitswelt ein Problem darstellt
Es ist ein Problem der Gesellschaft, der Arbeitswelt und der Politik, das mit der Menschenwürde zu tun hat . Wir sind der Überzeugung, dass diejenigen, die diese Gegebenheiten ignorieren, die Ungerechtigkeit nicht wahrnehmen, die alles durchzieht, denn das Problem findet sich in allen Bereichen und auf allen wirtschaftlichen Ebenen.
Es gibt keine Frauen, die im Vergleich mit anderen in einer besseren Position wären. Wir sind alle in der Pflicht: Männer, Frauen, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, soziale Bewegungen, die Volkswirtschaft Regierungen und Arbeitgeber. Es ist unser aller Pflicht. Weil dies eine Situation der dauerhaften Ungleichheit ist, und wir versuchen müssen, sie zu beheben. Dennoch sind Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt ein Verstoß gegen die Menschenrechte und als solche müssen wir sie sehen. Daher sind wir aufgrund der Gewichtung der Grundrechte aufgerufen, gute, menschenwürdige Arbeit und eine bessere Zukunft für alle zu fordern.
Zudem werden wir auch weiterhin die Vereinigungsfreiheit, Tarifverhandlungen und Nichtdiskriminierung fordern, ebenso wie ein Ende der Zwangsarbeit, ein Ende der Kinderarbeit und gleiche Bedingungen, mit der Möglichkeit, dass Frauen den Platz einnehmen können, den sie verdienen. Was ist nun meine abschließende Botschaft? Sie muss nicht anmaßend sein, sondern ist sehr bescheiden. Als erstes möchte ich „Danke“ sagen, danke an alle, die diesen Kampf führen. Danke an alle Frauen. Ich bin zunächst einmal sehr stolz auf das, was wir leisten. Und ich bekräftige noch einmal, dass unser Einsatz, unsere Anliegen, unsere Prinzipien eine klare Ausrichtung haben, niemals aufzugeben.
Daher denke ich, der Aufruf lautet wirklich: „eine bessere Zukunft für jeden Menschen.“ Lasst uns zusammen eine bessere Welt gestalten. Vielen Dank, Marta, für dieses tolle Gespräch. Ich freue mich darauf, die Aktionen zu sehen und die Stimmen der Arbeitnehmerinnen aus der Bauindustrie, Holz- und Forstwirtschaft zu hören. Die Arbeitnehmerinnen haben während der Pandemie eine größere Last getragen und einen höheren Preis gezahlt. Daher muss für einen gerechten Aufschwung die Gleichstellung von Männern und Frauen gefördert werden. Dies ist unser Slogan, heute und für die Zukunft, bei unserem Einsatz für Strategien, Politik und Programme für den Aufschwung. Unser Kampf geht weiter. Vielen Dank, Marta!
Zudem bedanke ich mich beim BHI-Regionalbüro, das ebenfalls eine große Hilfe ist. Es leben die Arbeitnehmerinnen! Es lebe die Welt! Es lebe die Zukunft und es lebe unser Kampf! Danke für alles. Vielen Dank. Viva!