BHI zum Vorschlag der Aussetzung des TRIPS-Übereinkommens bei Impfstoffen und Medikamenten gegen Covid-19
Die Bau- und Holzarbeiter Internationale (BHI), eine globale Gewerkschaftsföderation mit 12 Millionen Mitgliedern in 351 Gewerkschaften aus 127 Ländern, bringt ihre ernsthafte Sorge darüber zum Ausdruck, dass bei dem von über 100 Ländern unterstützten Vorschlag einer zeitweisen Aussetzung bestimmter Regelungen des TRIPS-Übereinkommens der Welthandelsorganisation (WTO) für Covid‑19-Impfstoffe, Diagnostik, Therapeutik, Medikamente und Geräte keinerlei Fortschritte zu verzeichnen sind.
Der weithin unterstützte Vorschlag einer Aussetzung von TRIPS hat außerdem zum Ziel, den Schutz von Patenten, Handelsmarken und Betriebsgeheimnissen vorübergehend aufzuheben, um es Ländern so zu ermöglichen, die Herstellung und Ausfuhr dieser Covid-19-Impfstoffe und entsprechender Medikamente und Geräte zu steigern.
Uns fehlen die Worte, wenn wir sehen, wie die großen Pharmaunternehmen unmissverständlich ihre Profite über das Leben und die Gesundheit stellen, besonders derjenigen Menschen in den am wenigsten entwickelten Ländern und Schwellenländern, und dabei von den Handelsbefugten der reichsten Länder vertreten werden.
Noch viel schlimmer sind die jüngst durchgesickerten Informationen über einen Text, der aus den Gesprächen zwischen der EU, den USA, Indien und Südafrika entstanden ist und dessen Bestimmungen sogar noch viel verheerender sind als die im aktuellen TRIPS-Übereinkommen. Unsere Kolleginnen und Kollegen, die sich für das Recht auf Gesundheit einsetzen, beschreiben diese Textstellen als „Abscheulichkeit“ und „schlimmer, als wenn gar nichts getan würde“. Die Parteien verhandeln immer noch, wie die Generaldirektorin der WTO verlauten ließ. Der durchgesickerte Text wird beiläufig und fälschlicherweise als „Quad-Text“ bezeichnet, da die Vierergruppe aus EU, USA, Südafrika und Indien diese Punkte diskutiert, aber noch gar nichts beschlossen wurde.
Der in diesem Monat bekannt gewordene Text ist an vielen Stellen mangelhaft, unter anderem in diesen Punkten:
- Die Aussetzung betrifft nur Impfstoffe, wobei aktuell doch schnelle, bezahlbare und regelmäßige Tests und Behandlungen von ebenso zentraler Bedeutung sind.
- Die Aussetzung soll sich nicht später als sechs Monate nach Inkrafttreten der Vereinbarung auf die Herstellung und Verteilung von Covid-19-Diagnostika und -Therapeutika erstrecken — aber nur wenn die Mitglieder der WTO zustimmen, was sicherlich verzögert wird, wenn man bedenkt, wie schleppend alles voranging, seitdem der ursprüngliche Vorschlag von Indien und Südafrika im Oktober 2020 eingereicht wurde.
- Die sogenannten „Quad-Gespräche“ sind wohl kaum inklusiv, da nur Indien und Südafrika sich für die Interessen der Entwicklungsländer einsetzen, während ihre zwei Gesprächspartner für die reichsten Industrieländer und die großen Pharmazieunternehmen stehen. In die Gespräche sind keine der am wenigsten entwickelten Länder eingebunden.
- Die vorgeschlagene Vereinbarung wird nur darauf begrenzt sein, wie und wann die Länder eine kleine Anzahl an TRIPS-Verpflichtungen aussetzen können, anstatt alle relevanten Formulierungen in der TRIPS-Vereinbarung zu umfassen.
- Der Text wiederholt größtenteils bestehende Flexibilitäten im Rahmen von TRIPS, aber fügt noch zusätzliche Bedingungen für deren Verwendung hinzu.
- Er hebt den Schutz von Betriebsgeheimnissen oder anderen Hindernissen für den Zugang zu Corona-Impfstoffen nicht auf.
- Und schließlich wird er nur eine Gültigkeit von drei oder fünf Jahren haben, die allerdings endet, sobald Covid-19 keine Pandemie mehr ist. Es ist unklar, wer diese Entscheidung treffen würde und wann sie erfolgt, daher kann diese Unsicherheit Firmen, die Generika produzieren, davon abhalten, die signifikanten Investitionen zu tätigen, die nötig sind, um diesen Text zu verwenden.
Wie der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation jüngst sagte, steigt die Anzahl der Covid-19-Fälle weltweit weiter an, es gibt nicht genügend Tests, „die Sterblichkeitsraten sind in vielen Ländern inakzeptabel hoch, besonders dort, wo die Impfquote der anfälligen Bevölkerungsgruppen niedrig ist“ und „die Pandemie ist nicht vorbei. Ich sage es noch einmal, die Pandemie ist nicht vorbei.“ Er rief alle Menschen dazu auf, sich impfen zu lassen, und bat die Länder, weiter zu testen und die Patienten zu versorgen.
Ein Virologe merkte dieser Tage an, dass Covid-19 mit einer noch nie erlebten und überraschenden Geschwindigkeit mutiert. Erste Covid-19-Impfungen haben sich als weniger effektiv gegen die neusten Varianten des Coronavirus erwiesen, daher wird nun die zweite Generation von Impfstoffen entwickelt, die gegen mehr Varianten wirken sollen. Sobald ein Impfstoff der zweiten Generation entwickelt wird, ist wieder eine Mangelsituation zu erwarten, da die Monopolregelungen für geistiges Eigentum die Anzahl der Unternehmen begrenzen, die ihn herstellen können, und die reichen Länder wieder alle verfügbaren Dosen zuerst aufkaufen werden.
Es ist jetzt klar, dass die Mitglieder der WTO den durchgesickerten „Text“ ablehnen müssen und stattdessen voll und ganz den ursprünglichen Vorschlag aus Südafrika und Indien unterstützen müssen, der inzwischen von über 100 Ländern befürwortet wird.