Indien: langjährige Forderungen der Arbeitnehmer bei Faber-Castell immer noch ignoriert

(Foto: Sitzung des Global-Union-Netzwerks Faber-Castell am 16. September)

Beschäftigte bei Faber-Castell, einem der weltweit größten und ältesten Hersteller von Stiften, Schreibgeräten und Bürobedarf, haben ihren Arbeitgeber aufgefordert, ihren Forderungen nach besserer Bezahlung und besseren Arbeitsbedingungen nachzukommen. Im Faber-Castell-Werk in Goa (Indien) haben Arbeitnehmer die Unternehmensspitze dazu aufgerufen, sich um ihren Forderungskatalog zu kümmern, der schon lange besteht und Erhöhungen von Löhnen und Zulagen fordert, Versicherungsschutz, Umkleiden für die Beschäftigten, warmes und kaltes Trinkwasser sowie einen separaten Raum für ihr Gewerkschaftsbüro. Die Arbeitnehmer haben ihre Forderungen bereits 2019 vorgebracht, nachdem das letzte Abkommen mit dem Unternehmen schon ein Jahr abgelaufen war.

Federführend beim Aufruf an das Unternehmen, den Forderungen der Beschäftigten nachzukommen, ist die Gewerkschaft GT&CWU (Goa Trade and Commercial Workers Union), die kontinuierlich das Gespräch mit dem Unternehmen sucht. Der GT&CWU zufolge sind bei dem Werk von Faber-Castell in Indien 104 Vertragsarbeitnehmer beschäftigt (angestellt über JALALU, Anand Mandal und Sali Jacob), im Vergleich zu 28 Festangestellten und 24 Produktionshelfern. Unter den Vertragsarbeitern ist die prekäre Beschäftigung ein großer Sorgenfaktor und die Angst vor Entlassung hält sie davon ab, der Gewerkschaft beizutreten.  

Zudem berichtet die GT&CWU von Arbeitsschutzproblemen: Das Unternehmen stelle seinen Beschäftigten während der Pandemie keine persönliche Schutzausrüstung bereit und biete keinen Versicherungsschutz.  

„Das Management von Faber-Castell muss dringend auf die Liste der Forderungen der Arbeitnehmer eingehen, die schon lange vorliegt und nun angesichts der durch Covid-19 und die steigende Inflation ausgelösten Probleme noch drängender geworden ist. Außerdem muss die Unternehmensführung gewährleisten, dass Arbeitsschutzmaßnahmen umgesetzt werden, die den Leitlinien der Regierung entsprechen. So muss es insbesondere Schutz gegen Covid-19 und Versicherungsschutz geben, um die Sicherheit und das Wohlergehen der Beschäftigten sicherzustellen“, sagte der Vorsitzende der GT&CWU, Christopher Fonseca.   

Bei einem Meeting mit dem Personalvorstand des Unternehmens am 8. Oktober brachte ein Vertreter der Gewerkschaft die Anliegen und Forderungen noch einmal vor. Das Unternehmen erläuterte, dass der Verhandlungsprozess in Indien länger dauert als in anderen Ländern, und dass das Werk in Goa nicht genug Profit abwirft, weswegen die Löhne der langjährigen Mitarbeiter nicht angehoben werden können. Man stimmte jedoch zu, auch dem Werk in Indien persönliche Schutzausrüstung und Versicherungsleistungen für die Arbeitnehmer bereitzustellen.  

(Foto: Sitzung des Global-Union-Netzwerks Faber-Castell am 16. September)


Als Reaktion darauf hat die BHI ihre Unterstützung für die GT&CWU verstärkt und hilft der Gewerkschaft dabei, eine Strategie zu entwickeln, wie sie das Unternehmen davon überzeugen kann, auf ihre Forderungen einzugehen. 

Wie bekannt ist, haben die BHI und die IG Metall im Jahr 2000 mit Faber-Castell eine Sozialcharta unterzeichnet (ein internationales Rahmenabkommen), in der u. a. die Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen, menschenwürdige Löhne und Arbeitsbedingungen, Sicherheit an der Arbeitsstätte und vernünftige Arbeitszeiten erfasst sind.  

Letztes Jahr war das Global-Union-Netzwerk Faber-Castell auch zusammengekommen und hatte am Stammsitz des Unternehmens, in Stein (Deutschland), den Dialog mit dessen Vertretern gesucht. Die Erwartung bei BHI und IG Metall bestand, dass die unzufriedenstellend hohe Anzahl an Zeitarbeitern bei der Geschäftstätigkeit des Unternehmens in Indien angegangen werden würde, ebenso wie andere Probleme hinsichtlich der Vereinigungsfreiheit und der Arbeitsbedingungen, die im März in einem Sozialaudit hätten thematisiert werden sollen. Doch aufgrund der Corona-Krise wurde das Sozialaudit verschoben.

„Mit großer Sorge haben wir von den Gewerkschaftsvertretern erfahren, dass diese ungelösten Probleme der Arbeitnehmer im indischen Faber-Castell-Werk in Goa schon lange bestehen und dass sich das Unternehmen nicht vollständig an die Sozialcharta hält. Wir erinnern Faber-Castell daran, dass nur mit Unternehmern, Subunternehmern und Zulieferern gearbeitet werden soll, die die Normen und Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) anerkennen und umsetzen. Das ist wichtig, um inmitten einer Pandemie menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu gewährleisten“, so Michael Knoche von der IG Metall.  

Im September wurde am Hauptsitz von Faber-Castell ein Verfahren zur Selbstbewertung angestoßen, um sich mit den schwerwiegenden Anliegen zu befassen, die vorgebracht worden sind; es wird erwartet, dass das Unternehmen bis Mitte November BHI und IG Metall seine Reaktion darauf vorlegt.