Für das Kernteam, das am meisten für eine Gewerkschaft in den IKEA-Vertriebszentren in Minooka und Joliet, Illinois, kämpfte, war es nicht einfach, wieder zur Arbeit zu gehen, nachdem die Abstimmung im Jahr 2018 nicht so ausging, wie sie es sich erhofft hatten.
Von den fast 200 Beschäftigten fehlten ihnen nur sieben Stimmen, um dem IAM beizutreten.
"Am nächsten Tag war es schwer, ins Warenlager zu gehen“, erinnert sich Lagerarbeiter Randy Holloway. „Wir sind alle eine Weile mit einer Zielscheibe auf dem Rücken herumgelaufen."
Holloway war zusammen mit einer engen Gruppe von Mitarbeiter/innen des Werks in Chicagos Vororten auf der Mission gewesen, den von Schweden gegründeten multinationalen Konzern an seine hohe Unternehmenskultur zu binden. In der 1,35 Millionen Quadratmeter großen Anlage in Joliet stand auf einem großen Poster: „Einen besseren Alltag für die vielen Angestellten schaffen."
IKEA, der weltweit größte Möbelhersteller, baut seine Präsenz in den Vereinigten Staaten aus. Neben den mehr als 45 Einzelhandelsgeschäften des Unternehmens in den USA hat IKEA seine Kapazität erweitert, um mehr E-Commerce-Aufträge bearbeiten zu können.
Das neue Distributionszentrum in Joliet ersetzte eine kleinere Anlage im nahegelegenen Minooka, die von einem externen Logistikunternehmen betrieben wurde. In dem glänzenden neuen Gebäude kann das Äquivalent von 22 Ozeandampfern pro Stunde entladen werden, wobei „radikale Ideen und Technologien genutzt werden, die über alles hinausgehen, was IKEA bisher getan hat“, so ein Unternehmensleiter bei der Eröffnungsfeier im Oktober 2018, die nur wenige Monate nach der knappen Gewerkschaftswahl stattfand.
Um den Start des neuen Betriebs zu erleichtern, wurden Lagerarbeiter aus anderen IKEA-Distributionszentren im ganzen Land nach Joliet entsandt. Der IAM vertritt die Mitarbeiter/innen der IKEA-Distributionszentren in Georgia, Maryland und New Jersey.
Während der Kampagne in Joliet schrieben IAM-Mitarbeiter/innen an anderen IKEA-Standorten einen Unterstützungsbrief an die Arbeiter/innen in Illinois, in dem sie anführten, dass die „starken IAM-Verträge, die wir ausgehandelt haben, nicht nur Worte auf dem Papier seien – sie haben zu Respekt und einer fairen Behandlung am Arbeitsplatz geführt.
"Sie brachten unser internes Team dazu, nicht aufzugeben und weiter auf die Mitgliedschaft im IAM zu drängen“, so IAM-Sonderbeauftragter Dennis Mendenhall.
Der Kampagne mit dem Ziel, den IAM nach Joliet zu bringen, wurde so neues Leben eingehaucht. Mit Unterstützung der IAM-Organisationsabteilung, des IAM Midwest Territory, der IAM Holzarbeiter-Abteilung, District 8 und Local 701 wurden Karten gesammelt, um eine neue Gewerkschaftswahl bei IKEA in Joliet durchzuführen.
Freddy Gonzalez, ein weiterer offener IAM-Verfechter im Werk, wurde von innen heraus motiviert.
"Mein Antrieb ist meine Familie, meine Kinder, meine Freundin“, so Gonzalez, der zwar einen Bildungsabschluss hat, aber von Job zu Job gewechselt ist und nach Stabilität sucht. „Wir haben schwierige Zeiten durchgemacht, weil ich bei der Arbeit keine Stimme hatte."
Seine Familie zog von Haus zu Haus, kämpfte darum, die Rechnungen zu bezahlen und ihre Köpfe finanziell über Wasser zu halten.
„Es hat mich als Mann gebrochen“, so Gonzalez.
Die Sicherheit, die mit einem Gewerkschaftsjob einhergeht, war in Will County schwer zu finden, denn hier füllen Arbeitsplätze mit niedrigeren Löhnen die Lücke, die durch jahrzehntelange Fabrikschließungen entstanden ist.
Tausende Familien konnten mit den sicheren IAM-Arbeitsplätzen im Caterpillar-Werk in Joliet ihren Lebensunterhalt bestreiten, aber das Unternehmen schickte die letzten Verbleibenden im vergangenen Sommer nach Mexiko.
Laut einem Bericht des Illinois Economic Policy Institute aus dem Jahr 2016 verließen zwischen 2010 und 2015 fast 280.000 Arbeitnehmer/innen aus Illinois die Produktion. Von den 40 Prozent, die neue Arbeitsplätze fanden, gingen 21 Prozent in den Bereich Transport und Lagerung. „Die überwiegende Mehrheit [...] musste eine Lohnkürzung erdulden“, heißt es im Bericht.
Einzelhändler wie Amazon, Target und Walmart haben eine bedeutende Lagerpräsenz in den Vororten von Chicago, aber Versuche, eine Gewerkschaft in Illinois und landesweit zu gründen, wurden durch gewerkschaftsfeindliche Kampagnen weitestgehend unterdrückt.
Bei IKEA sollen die Dinge anders laufen. Das Unternehmen predigt seinen „IWAY“-Verhaltenskodex, der besagt, dass „das Geschäft von IKEA einen insgesamt positiven Einfluss auf Mensch und Umwelt haben soll“. In den Leitsätzen von IKEA ist ein ganzes Kapitel der Versammlungsfreiheit gewidmet und das Unternehmen erwähnt darin ausdrücklich das Recht der Arbeitnehmer/innen auf Tarifverhandlungen. „Sie haben uns so viel versprochen, sodass wir dachten ‚Oh, bei IKEA wird es total toll‘“, so Holloway, der für einen Drittanbieter arbeitete, bevor IKEA die Anlage übernahm.
Aber die Arbeitnehmer/innen wurden aufgrund der Änderung der Arbeitsregeln, uneinheitlicher Richtlinien und der ungleichen Aufstiegschancen zunehmend frustriert.
MARK McGUAGHY
"IKEA gibt es auf der ganzen Welt – warum können sie hier nicht die gleichen Regeln haben wie an anderen Orten?“, fragte Mark McGaughy, ein weiterer Leiter der IAM-Vertretung in Joliet.
Nachdem sie die Abstimmung für den Beitritt zum IAM verloren hatten, „fragten mich andere Beschäftigte immerzu: ‚Wann gibt es eine Gewerkschaft? Wann gibt es eine Gewerkschaft?‘“, so McGaughy.
NICO FIGUEROA
Für Nico Figueroa, der eine Frau und drei Kinder zu versorgen hat, war der anfängliche Verlust kein Grund, den Kampf für eine Gewerkschaft aufzugeben.
"Wir haben einfach weitergekämpft“, so Figueroa. „Was auch immer sie versucht haben, wir haben nicht nachgegeben. Ich denke immer, wenn man das Gefühl hat, im Recht zu sein, sollte man einfach weiter machen."
FREDDY GONZALEZ
Gonzalez sieht es als seine Pflicht an, die Grundlage für zukünftige IKEA-Mitarbeiter/innen in Joliet zu schaffen.
"Es geht nicht nur um meine Zukunft. Ich möchte das über Generationen hinweg beibehalten“, so Gonzalez. „Mein Sohn könnte hier arbeiten und ich möchte, dass er sagen kann: ‚Mein Vater hat geholfen, das hier zu schaffen und möglich zu machen.’"
Als die IAM-Autorisierungskarten zum zweiten Mal einströmten, hatten die Mitarbeiter/innen in Joliet nicht nur die Unterstützung von IAM-Mitarbeiter/innen in IKEA-Werken in ganz Nordamerika, sondern auch von IKEA-Mitarbeiter/innen auf der ganzen Welt. Durch den Anschluss des IAM zur Bau- und Holzarbeiter Internationale wurden die Beschäftigten in Illinois auch von einer globalen Gewerkschaftsföderation mit 12 Millionen Mitgliedern unterstützt.
Treffen zwischen Industrievertretern von IKEA und BHI-Vertretern in Europa trugen dazu bei, einige der gewerkschaftsfeindlichsten Taktiken zu entschärfen, die in den USA typisch für die von der Unternehmensführung getragenen Widerstandsbemühungen gegen Gewerkschaften sind.
Die Hartnäckigkeit und Zusammenarbeit innerhalb des IAM und über Grenzen hinweg hat sich ausgezahlt. Nach zwei Abstimmungstagen im Juni 2019 stimmten die Arbeitnehmer/innen mit 83 zu 76 Stimmen für den Beitritt zum IAM. Es war die gleiche Stimmendifferenz wie ein Jahr zuvor, aber dieses Mal werden die Arbeitnehmer/innen ihre Vertretung bekommen.
Die Verhandlungen mit dem Unternehmen sollen im November 2019 beginnen.
Jetzt muss das Unternehmen zuhören“, so McGaughy. „Mit einer Gewerkschaft müssen sie auf uns hören – egal wie groß oder klein das Problem ist."
Für Holloway, der fünf Kinder hat, darunter einen neugeborenen Sohn, ging es bei diesem Kampf auch darum, ein Vermächtnis zu hinterlassen.
"Das ist eine Geschichte, die wir unseren Kindern erzählen können – dass wir hier eine Gewerkschaft ins Leben gerufen haben“, so Holloway. „Wir wollten, dass diese Aufgabe etwas bedeutet. Was haben wir also getan? Wir haben uns organisiert."
Wir machen dieses Unternehmen zu einem besseren Unternehmen“, so McGaughy." JB
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf der IAM-Website veröffentlicht und wird hier mit Genehmigung des IAM abgedruckt.