Der BHI-Rat der indischen Mitgliedsverbände legte dem indischen Präsidenten Ram Nath Kovind am 19. Mai eine Petition vor, in der der Präsident eindringlich aufgefordert wird, arbeitnehmerfeindliche Verordnungen mehrerer Bundesstaaten zurückzuweisen, mit denen wichtige Arbeitsgesetze gelockert und/oder für drei Jahre ausgesetzt werden, um die Produktivität zu steigern und der Industrie während des durch die COVID-19-Pandemie verursachten Konjunkturrückgangs Wachstumsanreize zu bieten
Die BHI-Gewerkschaftsmitgliedsverbände erklärten, dass die Verordnungen von den großen indischen Bundesstaaten verabschiedet worden seien: Uttar Pradesh, Gujarat und Madhya Predesh. Andere Bundesstaaten erwägen Berichten zufolge eine Verlängerung der Arbeitszeit von 8 auf 12 Stunden pro Tag.
Rama Chandra Khuntia, BHI-Vizepräsident für den asiatisch-pazifischen Raum und INBCWF-Präsident, bezeichnete die Verordnungen als klaren Angriff auf die Arbeits- und Menschenrechte und als grobe Verletzung der Prinzipien des Tripartismus. "Damit wird Salz in die Wunde von Millionen indischer Arbeiter gestreut, die ohnehin schon mit den Auswirkungen von COVID-19 auf ihre Gesundheit, ihre Arbeitsplätze und ihr Einkommen zu kämpfen haben.“
(Photo: Reuters)
In seiner Petition erklärten die BHI-IAC, die bereits von der Pandemie betroffenen Arbeitnehmer würden durch die Verordnungen der Bundesstaaten noch verwundbarer. Die Gewerkschaften erklärten, dass diese Politik gegen die in der Verfassung verankerten Grundsätze verstößt und den arbeitsrechtlichen Rahmen des Landes untergräbt, der auf den Kampf der Arbeitnehmer und die Mechanismen des Tripartismus zurückgeht. Nach Artikel 254 Absatz 2 und Artikel 213 Absatz 1 der indischen Verfassung müsse jeder Gesetzentwurf wie auch jede Verordnung zu einem der in der Concurrent List aufgeführten Themen, der bzw. die möglicherweise gegen ein Gewerkschaftsgesetz verstoße, vom Präsidenten bewilligt werden, um Rechtskraft zu erlangen. Die BHI-IAC erklärten, dass auch das Thema Arbeit in der Concurrent List der Verfassung genannt wird.
Die Antwort auf diese Politik waren Arbeitnehmerproteste und koordinierte Gewerkschaftsaktionen. Daraufhin zog die Regierung von Uttar Pradesh ihren Plan zurück, eine weitere Verordnung zur Verlängerung der Arbeitszeit zu erlassen.
Bei einem Treffen am 13. Mai, an dem 41 staatliche Vertreter teilnahmen, planten die BHI-IAC weitere Protestaktionen - sowohl online als auch offline - sowie Medienaktivitäten. Die Central Trade Unions (CTUs) und die Gemeinsame Plattform der Zentralgewerkschaften und -verbände (Joint Platform of Central Trade Unions and Federations) verurteilten die Verordnungen der Bundesstaaten ebenfalls, wobei letztere zu einem landesweiten Protest am 22. Mai aufrief.
In der Zwischenzeit wurden vor dem Obersten Gerichtshof Indiens und dem Obersten Gerichtshof des Bundesstaates Uttar Pradesh zwei Verfahren im öffentlichen Interesse (Public Interest Litigation, PIL) gegen die arbeitnehmerfeindlichen Verordnungen angestrengt.
Der Lockdown in Indien, die weltweit größte COVID-19-Quarantäne, wurde verlängert und ist nunmehr in seiner vierten Phase (18.-31. Mai). Bis zum 22. Mai hatte das Land 118.000 COVID-19-Fälle und 3.583 Tote zu verzeichnen.