Nachdem Brasilien als eines der wenigen Länder weltweit in dem Ruf gestanden hatte, sklavenartige Arbeitsbedingungen anzuerkennen und dagegen vorzugehen, hat das südamerikanische Land nun einen erheblichen Rückschritt zu verzeichnen. Über eine kürzlich von der Regierung eingeführte Verordnung wurden die im Land gültigen Normen für Arbeitsinspektionen geändert. Danach ist es nun schwieriger, Arbeitgeber auszumachen, für die die Kriterien der sklavenartigen Arbeitsbedingungen zutreffen und diese entsprechend zu bestrafen.
Gemäß der alten Gesetzeslage galt ein Bericht der Arbeitsinspektoren als ausreichender Beleg für das Vorliegen von Zwangsarbeit, eine übermäßig hohe Anzahl an Arbeitsstunden, menschenunwürdige und unhygienische Arbeits- und/oder Lebensbedingungen sowie für die Einschränkung der Bewegungsfreiheit infolge von Verschuldung. Üblicherweise enthielten die Berichte der Arbeitsinspektoren vielfältige photographische Belege und durch Zeugen gelieferte Beweise. Dazu zählten beispielsweise Aussagen von Beamten der Bundespolizei, die die Inspektionsteams bei ihrer Arbeit in den oft gefährlichen und abgelegenen Wäldern begleiten.
Durch die Gesetzesänderung sind nun unter anderem dokumentierte Aussagen von Arbeitnehmern erforderlich, in denen sie darlegen, dass ihnen Strafen angedroht werden, sie zur Arbeit gezwungen werden und sie diese nicht freiwillig ausführen. Erst dann liegen die erforderlichen rechtlichen Anforderungen vor, um Arbeitsbedingungen als sklavenartig einzustufen. Darüber hinaus müssen Beweise geliefert werden, dass die Bewegungsfreiheit der Arbeitnehmer beispielsweise durch bewaffnete Wächter oder Elektrozäune eingeschränkt wird. Diese geforderten Belege sind an isolierten Arbeitsplätzen inmitten von Wäldern vollkommen unnötig und ohne Relevanz. An den in Urwäldern befindlichen Arbeitsplätzen besteht der größte Hinderungsgrund für die Bewegungsfreiheit darin, dass es an sich unmöglich ist, sich dort sicher zu bewegen.
Sklavenarbeit findet in aller Regel im Kontext des illegalen Holzeinschlags statt. Dazu gehörten das Abholzen sowie der Transport von nicht registriertem und zertifiziertem Holz, das zudem häufig in andere Länder geschmuggelt wird.
Eine zusätzliche skandalöse Gesetzesänderung besteht darin, dass die Arbeitsinspektoren nun nicht mehr über die Befugnis verfügen, die Unternehmen auf eine „schwarze Liste“ zu setzen, mit der öffentlich auf Gesetzesverstöße hingewiesen wird. Die Aufnahme eines Unternehmens auf der Liste ist nun abhängig von der politischen Entscheidung des Arbeitsministers, der allerdings auch für die Verordnung verantwortlich zeichnet.
Die Anzahl der Arbeitsinspektionen vor Ort sind von der derzeitigen Regierung bereits erheblich reduziert worden. So wurden im vergangenen Jahr 106 Inspektionen durchgeführt während in diesem Jahr bislang lediglich 30 stattfanden. In den vergangenen 20 Jahren konnten nahezu 50.000 Arbeitnehmer aus sklavenartigen Arbeitsbedingungen befreit werden.
In Brasilien selbst ist die neue Verordnung bereits auf sehr große Ablehnung gestoßen und hat zur Bildung einer starken Opposition geführt. So führten die Arbeitsinspektoren in 21 der 27 brasilianischen Bundesstaaten Streikaktionen durch, in denen sie die Verordnung öffentlich an den Pranger stellten. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) betonte, dass „für Brasilien nun die Gefahr besteht, dass es vom erfolgreich eingeschlagenen Weg zur Bekämpfung von Sklavenarbeit abkommt, der sich der für die Region und die Welt zum Vorbild entwickelt hat."
Die mit der Verordnung einhergehenden Bestimmungen werden auch zu einer Zunahme der illegalen Abholzung sowie des illegalen Holzhandels beitragen. Darüber hinaus werden sich die Arbeitsbedingungen im Bausektor wieder verschlechtern. Auch hier hatte die Zahl der Beschäftigten, die aus sklavenartigen Arbeitsbedingungen befreit werden konnten in den vergangenen Jahren zugenommen. Allein im Jahr 2015 waren dies 452 Arbeitnehmer.
Schätzungen der ILO zufolge arbeiten nahezu 21 Millionen Menschen weltweit unter sklavenartigen Bedingungen. Die BHI wird als globale Priorität ihren Kampf gegen das illegale Abholzen der Wälder fortsetzen und sich weiterhin für die Einhaltung der Menschenrechte sowie der grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit engagieren. Die BHI erwägt derzeit die Organisation einer globalen Kampagne gegen die brasilianische Regierung, um diese dazu zu bewegen, die eingeführte Gesetzesänderung rückgängig zu machen.